Beitrag vom 07.08.2021 (Lesezeit: ca. 7 Min.)

Der unbekannte Soldat und sein Fotograf – Teil 3

Wer war Walter Lutkat?

Meine Suche nahm ihren Anfang mit einem Foto – ein Studio-Portrait eines Soldaten am Ende des Ersten Weltkrieges. Jetzt bin ich auf der Spur seines Fotografen – Walter Lutkat.

Im Internet begegnet mir Walter Lutkat als Fotograf einer Raumeinrichtung von Mies van der Rohe und Lilly Reich von 1927. Das Foto trägt den sperrigen Titel „Der Glasraum, Wohnbereich mit Bücherwand in der Werkbund-Ausstellung ‚Die Wohnung‘ 1927“. Ansonsten scheint über ihn recht wenig bekannt zu sein. Ich begebe mich also auf die Spurensuche.

Und in der Tat finde ich einiges über Walter Lutkat: einige Portraitaufnahmen aus seiner Hand, eine Heiratsurkunde, die Akte über seine Militärzeit, Adressbucheinträge und einige Treffer in Online-Archiv-Katalogen.
Die unbekannte Person bekommt für mich damit erste Konturen. Ein Lebenslauf entsteht:

Walter Lutkat wird am Heiligabend des Jahres 1881 als Karl Walter Hans Lutkat im ostpreußischen Provinzhauptstadt Königsberg geboren. Er ist der Sohn des damals sehr bekannten Mundart-Rezitators und -Schauspielers Robert Lutkat (der sich selbst Robert Johannes nennt) und seiner Ehefrau Maria (geborene Krause).

Viele Angaben über Walter Lutkat entnehme ich seiner Militärakte* von 1903. So erfahre ich z.B., dass er zu diesem Zeitpunkt bereits Fotograf ist. Auch sein Aussehen wird beschrieben: Lutkat ist mit 1,61 m mittelgroß und hat schwarze Haare. Auch unschöne Details erfahre ich: Als junger Mann wird Walter Lutkat in Königsberg zweimal straffällig. 1899 erhält er einen Verweis wegen Diebstahls und 1902 wird er wegen Körperverletzung zu 15 Monaten und drei Tagen Haft verurteilt. Nach seiner Haftentlassung wohnt Lutkat offenbar in Freudenstadt im Schwarzwald.

Seinen Militärdienst leistet unser Fotograf vom Oktober 1903 bis zum September 1905 nicht in Ostpreußen ab, sondern bei der Luftschiffer-Ersatzabteilung der Bayerischen Luftstreitkräfte (vermutlich in München). Es verwundert mich nicht, dass er dort auch als Fotograf – vermutlich zur Luftaufklärung – eingesetzt wird. Im Jahr 1906 ist Walter Lutkats Lebensmittelpunkt offenbar bei Berlin. Die Heiratsurkunde erzählt mir, dass er am 30. März 1906 die in Fürth geborene Dienstbotin Margareta Böbel heiratet. Beide wohnen bereits zusammen in Steglitz, das damals noch nicht zu Berlin gehört. Das Adressbuch von 1907 verzeichnet den Fotografen Walter Lutkat mit einer Adresse im ebenfalls noch eigenständigen Lichterfelde (Berliner Straße 177).
Spätestens 1910 ist Walter Lutkat dann mit einem Fotostudio im ostpreußischen Insterburg ansässig. Von ihm angefertigte Fotografien und einige Adressbucheinträge belegen, dass er dort bis 1918 gearbeitet und gelebt haben muss. Ob er als ausgebildeter Spezialist in der damals hochmodernen Waffengattung der Luftschiffe auch zum Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg eingezogen wurde,  muss vorerst im Dunkeln bleiben.

Die nächste Station in Walter Lutkats Leben ist der wohlhabende Stuttgarter Stadtteil Cannstatt. Ab 1919 bis 1942 verzeichnen ihn die Adressbücher dort (in der Ludwigstraße 18, 1942 in der Kreuznacherstraße 18). Zwischen 1931 und 1941 führt er zusätzlich noch eine „Photohandlung“ in der Königstraße 59 (ebenfalls in Cannstatt).

Lisbeth und Alfred Saleik; Fotografie: Walter Lutkat, Insterburg, verm. 1917

In seiner Insterburger Zeit scheint Walter Lutkat vor allem Portraitfotografien angefertigt zu haben. Zumindest habe ich bisher keine anderen Aufnahmen gefunden.
Die einzigen Fotos aus der Stuttgarter Zeit sind seine Aufnahmen von der Werkbundausstellung 1927. Neben dem bereits erwähnten Foto des „Glasraums“ habe ich weitere gefunden, für die als Fotograf Walter Lutkat genannt wird (z.B. ein Foto der „Stuttgarter Küche“ von Erna Meyer und Hilde Zimmermann sowie einige Aufnahmen aus der Ausstellungshalle).

Für die Zeit danach konnte ich bisher keine Fotografien von Walter Lutkat ausfindig machen. Einträge im Katalog des Landesarchivs Baden-Württemberg (Bestand „Kartei der Stuttgarter Passakten“) zeigen, dass der Fotograf in den 1920er und Anfang der 1930er Jahre offenbar öfters gereist ist.

Eine letzte Spur von Walter Lutkat finde ich für das Jahr 1963: das Stuttgarter Adressbuch dieses Jahres führt einen Heinz Lutkat mit einem Photogeschäft in der König-Karl-Straße 57 und einer Wohnung in der Kreuznacher Straße 18 (Cannstatt) sowie eine Margarete Lutkat an derselben Adresse. Es handelt sich bei diesen Personen höchstwahrscheinlich um den Sohn und die Witwe von Walter Lutkat.

Ich werde nun versuchen, noch lebende Nachfahren von Walter Lutkat zu finden. Vielleicht können sie mir mehr über den Fotografen berichten. Und mit großem Glück wissen sie auch, was mit den Unterlagen und Negativen aus dem Fotostudio in Insterburg geworden ist …

Hier endet diese Serien-Geschichte, vorerst. Sobald ich mehr weiß, werde ich wieder von der Spurensuche nach dem unbekannten Soldaten und seinem Fotografen berichten.

Doch schon wartet eine neue Spurensuche. Demnächst in diesem Blog: Die verschwundene Bäckerei.

*Es handelt sich dabei um die sogenannte „Stammrolle“, in die alle Soldaten eines Landes eingetragen werden. Dieser Eintrag enthält neben detaillierten Angaben zum militärischen Werdegang auch viele andere Informationen über die jeweilige Person.

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